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Das rote Bild

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Peter Michael Hirth

 

Das rote Bild
 

Gestatten, mein Name ist Pierre Berger. Ich bin Reporter aus Leidenschaft. Ich betone Leidenschaft, denn ans große Geld darf man bei diesem Beruf nicht denken. Gut, es reicht zum Leben … Aber okay, ich erzähle Ihnen lieber, was mir kürzlich passiert ist.

Der Tag begann eigentlich ganz locker. Plötzlich bittet mich mein Chef ins Büro. Ich denke schon, der ist aber heute gut gelaunt, und merke nicht, dass ich seinen auffällig freundlichen Ton falsch interpretiert habe. Ich tänzle da also rein und werde mit offenen Armen empfangen.

„Ah, Pierre, alter Freund. Ich will dir nur kurz deine kostbare Zeit stehlen. Also Folgendes: Benno Gruber ist im Krankenhaus.“

Mein Chef blickt mich kurz, aber intensiv an, um zu sehen, ob ich verstehe, was das für mich bedeutet. Ich ahne Böses. Benno Gruber ist der Reporter für Kultur. Er wird in dieser Branche gefürchtet und geliebt, je nachdem. Ich hingegen gehe ein- oder zweimal im Jahr ins Theater oder in die Oper, und das nur, wenn ich eingeladen werde oder aus geschäftlichen Gründen dazu gezwungen bin. Ich gestehe, ich bin ein Kulturbanause.

„Ich sehe, du verstehst, worauf ich hinaus will.“ Ein Grinsen erfüllt plötzlich das Gesicht meines Chefs. „Du springst kurz für ihn ein. Da staunste, was? Ich dachte, dir schadet es auch nicht, mal was Kulturelles zu machen. Ich will dazu beitragen, deinen Horizont großartig zu erweitern, und sehe, du bist so begeistert, dass du sprachlos bist. Verstehe ich. Es hat nicht jeder einen so großzügigen Chef, der sich um die geistige Entwicklung seiner Angestellten kümmert.“

Dass er mir jetzt nicht um den Hals fällt für seine tolle Idee, wundert mich nur kurz.

„Es wird kinderleicht“, fährt er fort. „Du hast sicher mitbekommen, dass in unserer schönen Stadt eine sensationelle Kunstausstellung stattfindet. Dazu kommen Künstler aus aller Welt angereist. Du bekommst von mir einen Katalog und eine Liste der Künstler, die Benno interviewt hätte. Benno meint, du müsstest nicht viel fragen, die reden gegenüber einem Reporter ohne Punkt und Komma. Dein Vorteil ist ihre Eitelkeit. Du nimmst das hübsch auf Band auf, stellst ein paar Fragen, ziehst ein wissendes, neugieriges Gesicht, sagst ab und an etwas Gelungenes über seine Kunst und schon ist die Sache gegessen. Na, was sagst du?“

Er strahlt, als hätte er im Lotto gewonnen. Ich dagegen bekomme Bauchschmerzen.

„Wann soll ich dorthin?“

„Na, du stellst Fragen. Jetzt sofort!“

Da ich keine andere Wahl habe, folge ich der Aufforderung widerwillig. Ich hole meine Jacke aus dem Büro, steige in den Bus, der glücklicherweise an dem Redaktionsgebäude vorbeifährt, und eine halbe Stunde später bin ich da.

Es ist eine sehr große Ausstellung, wie mir schnell klar wird. Viele feine Leute. Wie schick! Erst einmal eine Verhaltensanalyse durchführen, also wie benimmt sich hier der Fachmann. Ich sehe mich um und erspähe meine ersten Opfer: Ein piekfeines, mit ausgefallenen Klamotten bekleidetes Paar, beide um die vierzig. Sehr hübsche Dame mit guter Figur und einem Busen, den ein Mann nicht übersehen kann – was will man mehr.

Unauffällig gleite ich zu den beiden hinüber. Schon höre ich seine fachmännischen Worte: „Ist das nicht Wahnsinn, Jenny. Dieses Bild, diese Farbentiefe!“

Auch Jenny kann es kaum fassen, schlürft zur Entspannung erst einmal Champagner und antwortet: „Dass er auch noch so ein Gelb neben dieses Schwarz ins Bild bringt. So viel Gelb, sooo …“, sie schweigt einen bedeutungsschwangeren Moment, „unglaublich! Setzen wir es auf die Kaufliste, Marc.“

Noch eine kurze Diskussion über Preis und Maße, dann traben wir zum nächsten Bild. Hier ist Jenny überhaupt nicht zufrieden und ich erfahre, dass der Maler von Kunst keine Ahnung habe und sich mit Farben überhaupt nicht auskenne. Ich versuche, mein Lachen zu verkneifen.

Ein paar Bilder weiter bin ich im Bilde. Jetzt kommt Fachmann Pierre. Ich bleibe vor einem Bild stehen – Konzentration – ganz nah ans Bild – ganz kritischer Blick – mal rechts, mal links – kurze Notiz – und weiter. Schon nach kurzer Zeit diskutiere ich profund mit reizenden Damen über Pro und Kontra der Künstler und ihrer Farben. Die Kunstausstellung ist für mich ein Segen. Die Damen erzählen mir, wo sie schon überall waren, und vergleichen munter mit Ausstellungen in New York und Paris. Ich bekomme eine Turboeinführung in die Kunstszene, mache mir Notizen und schlendere zwischen den Räumen, immer Ausschau haltend nach dem einen oder anderen Künstler, der auf meiner Liste steht. Ich bin mir sicher, da lässt sich ein hübscher Bericht daraus machen.

Plötzlich mache ich eine Vollbremsung.

........

Wie geht es wohl weiter .....

 

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